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  Gehölze

Gehölze sind Nahrungsgrundlage und Lebensraum für viele Insektenarten. Die Blüten liefern Nektar und Pollen für Käfer, Schmetterlinge, Schwebfliegen und Wildbienen. Die Blätter werden von Larven innen oder außen befressen. Einige winzige Mücken und Wespen induzieren ein wucherndes Pflanzengewebe, die Gallen, in denen sich ihre Larven entwickeln. Blattläuse, Wanzen, und Zikaden saugen Pflanzensäfte. Im Holz entwickeln sich die Larven von Bock-, Borken- und Prachtkäfern. Wildbienen nutzen deren Fraßgänge, um darin die Zellen für ihre Brut anzulegen. Die jährlich anfallende Laubstreu ist Nahrungsquelle und Rückzugsort für viele Arten.

Manche Insekten besiedeln einen Baum erst, wenn das Holz abgestorben ist. Zählt man die Insekten, die als Pflanzenfresser direkt bzw. als Räuber und Parasitoide indirekt auf Gehölze angewiesen sind, kommen wir in Deutschland auf mehr als 12.000 Arten bzw. ein Drittel aller bei uns einheimischen Insektenarten.

 

Lebensraum Gehölze

Seit der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren konnten sich Pflanzen, Tiere und Pilze nach Mitteleuropa ausbreiten, an die hiesigen Bedingungen anpassen und ökologische Beziehungen mit jeweils anderen Arten eingehen. Mit den Gehölzen wanderten auch viele an sie angepasste Insektenarten ein. Allein unter Pflanzenfressern wie Blattkäfern, Prachtkäfern, Rüsselkäfern, Pflanzenwespen, Wanzen, Zikaden, Wildbienen und Schmetterlingen sind mehr als 3.000 Arten (40%) direkt von Gehölzen abhängig, weil sie Nahrungspflanzen für Larve oder erwachsenes Tier sind. Im Gegensatz dazu werden neu eingeschleppte oder eingeführte Gehölze nur von wenigen unspezialisierten Insektenarten genutzt. Einheimische Gehölzarten spielen deshalb eine herausragende Rolle für die Bewahrung der einheimischen Insektenvielfalt.

Abbildung mit Anzahl Insektenarten je Gehölzgattung. Dargestellt sind die 25 Gehölze mit den meisten Insektenarten. In absteigender Reihenfolge nach den meisten Insektenarten: Weide, Eiche, Birke, Kirsche, Pappel, Erle, Weißdorn, Äpfel, Kiefer, Fichte, Hasel, Ahorn, Rose, Brom & Himbeere, Buche, Ulmen, Birne, Mehlbeere, Heidelbeere, Linde, Ginster, Tanne, Hainbuche, Heckenkirche, Esche.
Abbildung: Anzahl Insektenarten je Gehölzgattung. Dargestellt sind die 25 Gehölze mit den meisten Insekten.

Holzige Pflanzen bieten aufgrund ihrer Langlebigkeit als Nahrungspflanze über lange Zeiträume konstante Standortbedingungen. Sie bilden aber auch chemische Abwehrstoffe, die verhindern sollen, dass Teile von ihnen gefressen werden. Deswegen gibt es unter den einheimischen Insekten viele spezialisierte Arten, die mit dieser chemischen Abwehr umgehen können. Sie sind an bestimmte Gehölze angepasst, können aber nicht auf völlig fremde Gehölzarten mit einem gänzlich anderen Chemismus ausweichen.

Bäume

Die Baumkronen bilden ein Netzwerk, welches es Insekten, Vögeln und Kleinsäugern ermöglicht, sich in den Städten auszubreiten. Und selbst wenn Äste oder ganze Bäume absterben, entwickeln sich darin die Larven mancher spezialisierter Totholzkäferarten. Haben diese ihre Entwicklung abgeschlossen legen Wildbienen in deren verlassene Bohrlöcher und Fraßgänge ihre Brutzellen an.

Bäume spielen in Zeiten des Klimawandels eine sehr wichtige Rolle im Siedlungsbereich. Sie filtern Staubpartikel und Schadstoffe aus der Luft, tragen durch Beschattung und Wasserverdunstung dazu bei, hohe Sommertemperaturen zu dämpfen und speichern Kohlendioxid. Zudem sind wir Menschen physisch und mental gesünder, wenn wir in einer Umwelt mit Bäumen leben.

Was du für Bäume in der Stadt tun kannst, erfährst du hier.

Raum und Zeit für die Entwicklung von Insekten schaffen

Mit der Auswahl von Bäumen und Sträuchern für einen Standort trifft man eine Entscheidung für die kommenden Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte. Mit einigen wenigen Regeln können mit Gehölzen Lebensräume für Insekten bewahrt oder geschaffen und so die Artenvielfalt erhöht werden.

>>Hinweis: die folgenden Punkte sind obligatorisch<<

(1) Vorhandene Gehölze erhalten. Erst nach mehreren Jahren oder sogar Jahrzehnten entfalten Gehölze ihre volle ökologische und klimaregulierende Wirkung. Alte Bäume haben deshalb einen besonders hohen Wert und sollten einen besonderen Schutz genießen.

(2) Bei Neupflanzungen einheimische Gehölzarten bevorzugen. Auf einheimischen Gehölzen leben zehn- bis hundertmal so viele Insektenarten wie auf gebietsfremden Gehölzen. Bei geeigneten Standortbedingungen sollten deshalb stets einheimische Gehölze bevorzugt werden.

(3) Genetische Vielfalt fördern. Wenn man einen Baum pflanzt, soll dieser Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte wachsen. In dieser langen Zeit wird sich das Klima und das Auftreten von Krankheiten und Schaderregern verändern. Es braucht deshalb Bäume mit unterschiedlichen Eigenschaften, um das Risiko zu mindern, dass alle Bäume unter zukünftigen Bedingungen gleichermaßen leiden. Pflanze deshalb verschiedene Baumarten und nutze innerhalb einzelner Baumarten deren genetische Variabilität, in dem Du mit Saatgut arbeitest. Verzichte auf das Pflanzen von Sorten (Ausnahme: Obst), denn diese sind vegetativ vermehrt, das heißt, alle Individuen sind genetisch identisch.

(4) Wenn gebietsfremde Arten gepflanzt werden, dann solche aus möglichst nahen Verwandtschaftsgruppen und Regionen verwenden. Je größer die verwandtschaftliche und regionale Entfernung einer Baumart zu einheimischen Baumarten ist, desto weniger ist sie als Lebensgrundlage für einheimische Insekten geeignet. Da auch zukünftige Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigt werden müssen, sollte bei der Auswahl hitze- und trockenheitstoleranter Gehölzarten zunächst die Variabilität einheimischer Gehölzarten und erst dann nahe Verwandte einheimischer Gehölze (gattungsgleiche Arten) z. B. aus Süd- oder Südosteuropa zurückgegriffen werden.

(5) Sterbende oder tote Bäume erhalten. Stehendes Totholz, Baumstümpfe, abgestorbene Äste und Zweige sind ein wichtiger Lebensraum für viele Insektenarten. Viele dieser Insektenarten sind zudem auf eine dieser Totholzformen angewiesen und können sich nicht in liegendem Totholz entwickeln, das sich schnell mit Feuchtigkeit vollsaugt. Wo möglich, sollte Totholz stehend belassen oder Stämme später wieder aufgerichtet werden, solange dadurch niemand gefährdet wird.

Weitere, nicht obligatorische Punkte findest Du in den nachfolgenden Kapiteln.

Totenkopfschwebfliege Myathropa florea auf Baumrinde. © Jennifer Wintergerst

Samen verwenden

Bäume auszusäen scheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, weil wir es gewohnt sind, Bäume zu pflanzen. Aber in den Samen einer Baumart steckt genetische Vielfalt, die durch geschlechtliche Vermehrung entsteht. Es sollten mehr Samen ausgesät werden, als man Bäume haben möchte. Nicht alle Keimlinge werden gleich gut wachsen und der Schnellwüchsigste muss nicht immer der Vitalste sein. So kann man mit den an den Standort am besten angepassten Individuen weiterarbeiten. Keimlinge können im Vergleich zu gepflanzten Bäumen übrigens auch deshalb vitaler sein, weil sie nicht umgepflanzt werden.

Gute Bedingungen für Bäume schaffen

Ein großes Problem für Bäume im Siedlungsbereich ist die Bodenverdichtung. Wurzeln sind in stark verdichteten Böden schlechter belüftet und können stark verdichteten nicht durchwachsen. Vor der Pflanzung deshalb den Boden gut auflockern. Baumscheiben mit Mulch abdecken, damit der Boden nicht so stark austrocknet. Dies bietet auch vielen Insektenarten eine Überwinterungsmöglichkeit. Bei Trockenheit das Wässern nicht vergessen.

Bäume in Gruppen pflanzen

Besteht die Möglichkeit, Bäume in Gruppen pflanzen, auch in Kombination mit Gebüschen, wird die Stammbasis beschattet und in Gehölzgruppen kann sich ein mildes Innenklima bilden, das die Gehölze widerstandsfähiger gegen Hitze und Trockenheit macht.

Bäume, die besonders vielen Insektenarten Lebensraum bieten

Sal-Weide, Trauben- und Stieleiche, Hänge-Birke, Vogel-Kirsche, Zitterpappel, Schwarz-Erle, Eingriffeliger Weißdorn*, Zweigriffeliger Weißdorn*, Großkelchiger Weißdorn*, Holzapfel, Gewöhnliche Hasel*, Feld-Ahorn, Spitz-Ahorn, Hundsrose*, Sommer- und Winterlinde, Hainbuche (Die mit einem * gekennzeichneten Arten sind als Büsche geeignet).

Feuerwanze, Phyrrocoris apterus. © Jennifer Wintergerst

Literatur

  • Hock, W., H. Kinkler, R. Lechner, F. Nippel, R. Pähler, H. Retzlaff, H. v. d. Schulenburg, W. Schulze, H. Schumacher, W. Vorbrüggen, U. Wasner, A. Weidner & W. Wittland 1997: Praxishandbuch Schmetterlingsschutz. – Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten / Landesamt für Agrarordnung Nordrhein-Westfalen, Recklinghausen. 286 S.
  • Schulz, B. 2014: Gehölzbestimmung im Winter, mit Knospen und Zweigen. – Ulmer, Stuttgart. 360 S.
  • Spohn, M. & R. Spohn 2008: Was blüht denn da? Begründet von D. Aichele. Illustriert von M. Golte-Bechtle. – Franck-Kosmos, Stuttgart. 492 S. [für Einsteiger]

Hecken

Das etwas altertümlich klingende Wort Einfriedung beschreibt, was unsere Vorfahren schaffen wollten, wenn sie ihre Ländereien gegen die Außenwelt abgrenzten: einen Ort, in dem es friedlich zugehen sollte. Sie nutzten dafür holzige Pflanzen. Diese Grenzstrukturen mögen für Menschen und größere Säugetiere trennend wirken, für kleinere Tiere aber sind sie verbindende Elemente, die sich durch unsere Landschaften und Siedlungen ziehen. Igel, Haselmaus und Siebenschläfer können sich entlang und durch diese Hecken hindurch ausbreiten, zueinanderfinden und vermehren. Die Hecken dienen zudem als Verstecke und die Laubstreu unter den Hecken für manche Arten als Rückzugsort im Winter. Singvögel können in den Hecken brüten, Wildbienen finden im Frühjahr Pollen und Nektar an den Blüten, an den Blättern fressen die Larven von Schmetterlingen, mit denen die Vogeleltern ihre Küken füttern und im Herbst bieten die Früchte Nahrung für die ausgewachsenen Singvögel.

Ein Nektar saugender Schwarzkolbier Braundickopf Thymelicus lineola ist zu sehen.

Je mehr verschiedene Gehölzarten in einer Hecke wachsen, desto mehr Tierarten können in ihr leben. Weißdorn bietet mit seinen Dornen den Singvögeln beim Brüten Schutz vor Raubfeinden wie Krähen und Katzen. Mit Obstgehölzen wie Marille, Zwetschge, Kornelkirsche, auf Pflaume veredelte Schlehe, Holunder, Traubenkirsche, Elsbeere, Eberesche, Kirschpflaume, Mispel, Speierling sowie Johannis- und Stachelbeere entstehen Naschhecken, die auch uns Menschen erfreuen. Im Frühjahr, zur Blütezeit der Gehölze, ist eine so artenreiche Hecke auch ein Dufterlebnis, in der Wildrosen nicht fehlen dürfen, die im Herbst Hagebutten liefern.

Im Siedlungsraum werden Hecken heute allzu oft als pflegeleichter, lebender Sichtschutz angelegt. Ganz überwiegend werden einreihig Kirschlorbeer, Thuja und Scheinzypressen genutzt, die ursprünglich aus anderen Teilen der Welt stammen und die ökologischen Ansprüche der einheimischen Insektenarten nicht befriedigen. Hecken mit unterschiedlichen Arten einheimischer Gehölze sind hingegen Lebensraum für viele einheimische Tierarten und werden so für uns Menschen auch zu einem Ort für Erlebnisse und Entspannung.

Literatur

  • Müller, G. 2013: Europas Feldeinfriedungen. – Neuer Kunstverlag, Stuttgart.

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