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  Gehölze

In Deutschland gibt es knapp 70 Gehölzgattungen mit vielen einheimischen Arten. Die meisten davon sind Laubbäume, die mit Laubfall im Herbst, Winterkahlheit, Blattaustrieb im Frühjahr und Wachstum im Sommer an unser kühl-gemäßigtes Klima mit gleichmäßig verteilten Niederschlag angepasst sind.

Im Siedlungsbereich spielen Bäume eine wichtige Rolle für ein gesundes Klima. Sie filtern Staubpartikel und Schadstoffe aus der Luft, mildern durch Beschattung und Wasserverdunstung hohe Sommertemperaturen und speichern Kohlendioxid. In Zeiten des Klimawandels nimmt diese Bedeutung noch zu. Zudem sind wir Menschen physisch und mental gesünder, wenn wir in einer Umwelt mit vielfältigem Baumbestand leben.

 

Lebensraum Gehölze

Aufgrund ihrer Wuchsform schaffen Gehölze einen großen Strukturreichtum in der Landschaft und mit ihrer hohen Lebenserwartung konstante Standortbedingungen über lange Zeiträume. Das Kronendach der Bäume und Hecken bilden ein Netzwerk, das es Insekten, Vögeln und Kleinsäugern ermöglicht, sich in Siedlungen auszubreiten. Für viele Insektenarten sind Gehölze Nahrungsgrundlage und Lebensraum. Die Blüten liefern Nektar und Pollen für Wildbienen, Käfer, Schmetterlinge und Schwebfliegen. Die Blätter werden von Larven vieler Arten gefressen, wobei die Larven einiger Insektenarten so klein sind, dass sie in den Blättern minieren. Einige winzige Mücken und Wespen induzieren ein wucherndes Pflanzengewebe, die Gallen, in denen sich ihre Larven entwickeln. Der Pflanzensaft, der durch die Leitungsbahnen der verschiedenen Pflanzenteile fließt, wird von Blattläusen, Wanzen und Zikaden gesaugt. Im Holz entwickeln sich die Larven von Bock-, Borken- und Prachtkäfern. Deren Fraßgänge werden später von Wildbienen genutzt, um darin die Zellen für ihre Brut anzulegen, für die der Pollen gesammelt wird.

Pflanzen bilden chemische Abwehrstoffe, die verhindern sollen, dass Teile von ihnen gefressen werden. Deswegen gibt es unter den einheimischen Insekten viele spezialisierte Arten, die mit dieser chemischen Abwehr umgehen können. Sie sind an bestimmte Gehölze angepasst und können deswegen nicht auf völlig fremde Gehölzarten mit einem gänzlich anderen Chemismus ausweichen. Betrachtet man nur die Pflanzenfresser wie Blattkäfer, Prachtkäfer, Rüsselkäfer, Pflanzenwespe, Wanzen, Zikaden, Wildbienen und Schmetterlinge sind darunter mehr als 3.000 Arten (40%) direkt an Gehölze gebunden, weil sie Nahrungspflanzen für Larve oder erwachsenes Tier sind, manchmal auch für beide. Im Gegensatz dazu werden neu eingeschleppte oder eingeführte Gehölze nur von wenigen unspezialisierten Insektenarten genutzt. Einheimische Gehölzarten spielen deshalb eine herausragende Rolle für die Bewahrung der einheimischen Insektenvielfalt.

Abbildung mit Anzahl Insektenarten je Gehölzgattung. Dargestellt sind die 25 Gehölze mit den meisten Insektenarten. In absteigender Reihenfolge nach den meisten Insektenarten: Weide, Eiche, Birke, Kirsche, Pappel, Erle, Weißdorn, Äpfel, Kiefer, Fichte, Hasel, Ahorn, Rose, Brom & Himbeere, Buche, Ulmen, Birne, Mehlbeere, Heidelbeere, Linde, Ginster, Tanne, Hainbuche, Heckenkirche, Esche.
Abbildung: Anzahl Insektenarten je Gehölzgattung. Dargestellt sind jeweils die Top-25 Gattungen einheimischer (grün) und gebietsfremder Gehölze (lila) mit den meisten Insektenarten.

Zählt man die Insekten, die als Pflanzenfresser direkt bzw. als Räuber und Parasitoide indirekt auf Gehölze angewiesen sind, kommt man in Deutschland auf mehr als 12.000 Arten bzw. ein Drittel aller bei uns einheimischen Insektenarten. Aber damit nicht genug, die jährlich anfallende Laubstreu ist Nahrungsquelle und Lebensraum für viele Arten. Viele weitere Insekten besiedeln einen Baum erst, wenn er oder Teile von ihm abgestorben sind und leben im Totholz.

Was du für Gehölze in der Stadt tun kannst, erfährst du hier.

Mit der Auswahl von Bäumen und Sträuchern für einen Standort trifft man eine Entscheidung für die kommenden Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte.

Vorhandene Gehölze erhalten.

Erst nach mehreren Jahren oder sogar Jahrzehnten entfalten Gehölze ihre volle ökologische und klimaregulierende Wirkung. Alte Bäume haben deshalb einen besonders hohen Wert und sollten einen besonderen Schutz genießen.

Totenkopfschwebfliege Myathropa florea auf Baumrinde. © Jennifer Wintergerst

Bei Neupflanzungen einheimische Gehölzarten bevorzugen.

Auf einheimischen Gehölzen leben zehn- bis hundertmal so viele Insektenarten wie auf gebietsfremden Gehölzen. Bei geeigneten Standortbedingungen sollten deshalb stets einheimische Gehölze bevorzugt werden. Baumarten, die besonders vielen Insektenarten Lebensraum bieten sind Sal-Weide, Trauben- und Stieleiche, Hänge-Birke, Vogel-Kirsche, Zitterpappel, Schwarz-Erle, Holzapfel, Feld-Ahorn, Spitz-Ahorn, Sommer- und Winterlinde und Hainbuche.

Genetische Vielfalt fördern.

Wenn man einen Baum pflanzt, soll dieser Jahrzehnte oder im Optimalfall gar Jahrhunderte wachsen. In dieser langen Zeit wird sich das Klima und das Auftreten von Krankheiten und Schaderregern verändern. Deshalb braucht es für die Zukunft Bäume mit unterschiedlichen Eigenschaften, um das Risiko zu mindern, dass sämtliche Bäume von zukünftigen Bedingungen gleichermaßen betroffen sein werden. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Strategien.

Zum einen kann man unterschiedliche Baumarten verwenden, die sehr unterschiedliche Ansprüche an ihre Umwelt haben, und zum anderen mit der genetischen Variabilität innerhalb einer Baumart arbeiten. Wir Menschen sind es gewohnt, junge Bäume zu pflanzen. In der Natur aber vermehren sich Bäume über Samen. In den Samen eines Baumes steckt genetische Vielfalt, die durch die Befruchtung der Blüten entsteht, aus denen die Samen reifen. Die Bäume, die aus den Samen eines Baumes heranwachsen, haben also eine unterschiedliche genetische Ausstattung und werden auf verschiedene Umweltbedingungen unterschiedlich reagieren. Insbesondere unter den Bedingungen des Klimawandels ist es deshalb sinnvoll, mit dieser genetischen Variabilität zu arbeiten. Dazu kann man einerseits die Naturverjüngung nutzen, die an einem Standort entsteht, mit dem Vorteil, dass diese Bäume nicht verpflanzt werden müssen, sodass es zu keinen Schädigungen an den Wurzeln kommt und diese sich natürlich entwickeln können. Andererseits kann man Samen gewinnen und aussäen, wobei immer mehr Samen ausgesät werden als nötig, denn nicht alle Keimlinge werden gleich gut gedeihen. So kann man mit den an den Standort am besten angepassten Individuen weiterarbeiten.

Es sollte nicht auf Sorten zurückgegriffen werden (Ausnahme: Obst), denn diese sind vegetativ vermehrt, das heißt, alle Individuen einer Sorte sind genetisch identisch.

Wenn gebietsfremde Arten gepflanzt werden, dann solche aus möglichst nahen Verwandtschaftsgruppen und Regionen verwenden.

Je größer die verwandtschaftliche und regionale Entfernung einer Baumart zu einheimischen Baumarten ist, desto weniger ist sie als Lebensgrundlage für einheimische Insekten geeignet. Da auch zukünftige Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigt werden müssen, sollte bei der Auswahl hitze- und trockenheitstoleranter Gehölzarten zunächst die Variabilität einheimischer Gehölzarten und erst dann nahe Verwandte einheimischer Gehölze (gattungsgleiche Arten) z. B. aus Süd- oder Südosteuropa zurückgegriffen werden.

Sterbende oder tote Bäume erhalten.

Stehendes Totholz, Baumstümpfe, abgestorbene Äste und Zweige sind ein wichtiger Lebensraum für viele Insektenarten. Viele von ihnen sind lediglich auf eine dieser Totholzformen angewiesen und können sich nicht in liegendem Totholz entwickeln, da es schnell durchfeuchtet. Wenn möglich, sollte Totholz stehend belassen oder Stämme später wieder aufgerichtet werden, solange dadurch niemand gefährdet wird.

Feuerwanze, Phyrrocoris apterus. © Jennifer Wintergerst

Gute Bedingungen für Bäume schaffen.

Ein großes Problem für Bäume im Siedlungsbereich ist die Bodenverdichtung. Wurzeln können stark verdichtete Böden nicht durchwachsen und sind insgesamt schlechter belüftet. Vor der Pflanzung deshalb den Boden gut und tief auflockern. Baumscheiben mit Mulch abdecken, damit der Boden nicht so stark austrocknet. Dies bietet auch vielen Insektenarten eine Überwinterungsmöglichkeit. Bei Trockenheit das Wässern nicht vergessen! Das ist besonders wichtig in den ersten Jahren, nachdem man einen Baum gepflanzt hat.

Bäume in Gruppen pflanzen und Baumscheiben bepflanzen.

Gibt es vor Ort genügend Platz, Bäume in Gruppen zu pflanzen, auch in Kombination mit Gebüschen, wird die Stammbasis beschattet und in den Gehölzgruppen kann sich ein kühl-feuchteres Innenklima bilden, das die Gehölze vor Hitze und Trockenheit schützt. Das Bepflanzen und Gestalten von Baumscheiben mit einheimischen krautigen Pflanzen oder Zierblumen trägt zur kontinuierlichen Pflege, einschließlich des regelmäßigen Gießens vor Ort bei.

Literatur

  • Hock, W., H. Kinkler, R. Lechner, F. Nippel, R. Pähler, H. Retzlaff, H. v. d. Schulenburg, W. Schulze, H. Schumacher, W. Vorbrüggen, U. Wasner, A. Weidner & W. Wittland 1997: Praxishandbuch Schmetterlingsschutz. – Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten / Landesamt für Agrarordnung Nordrhein-Westfalen, Recklinghausen. 286 S.
  • Schulz, B. 2014: Gehölzbestimmung im Winter, mit Knospen und Zweigen. – Ulmer, Stuttgart. 360 S.
  • Spohn, M. & R. Spohn 2008: Was blüht denn da? Begründet von D. Aichele. Illustriert von M. Golte-Bechtle. – Franck-Kosmos, Stuttgart. 492 S. [für Einsteiger]

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