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Wiesen

Wiesen sind ein wichtiger Lebensraum für viele Pflanzen, Schmetterlinge, Wildbienen, Heuschrecken, Käfer, Schwebfliegen und andere Insekten. Doch viele Arten unserer Wiesen sind selten geworden oder gar verschwunden. Auf vielen Grünflächen in der Stadt und auf dem Land fliegen keine Schmetterlinge, summen keine Wildbienen und zirpen keine Heuschrecken mehr. Dabei werden viele dieser Flächen nicht für Spiel, Sport und Feierlichkeiten genutzt. Sie könnten ein Lebensraum für viele Pflanzen und Insekten sein.

Dass dem nicht so ist, liegt allein daran, dass diese Grünflächen zu oft und vollständig gemäht werden. Das Dilemma: Eine Wiese muss gemäht werden, um sie als solche zu erhalten. Ansonsten erobern immer höher wachsende Pflanzen die Fläche, schließlich Büsche und Bäume. Eine Wiese existiert dann nicht mehr. Gleichzeitig aber werden durch die Mahd Insekten getötet oder verletzt.

Lebensraum Wiese

Vor der Sesshaftwerdung des Menschen in unserem Gebiet vor etwa 7.000 Jahren waren gras- und krautreiche lichte Linden-Eichenwälder mit Hasel vorherrschend. Große Tiere wie Wisent, Auerochse, Elch, Wildpferd, Rothirsch und Reh weideten in unseren Breiten und ermöglichten so ein Offenlandmosaik in einer ansonsten mit Bäumen bestandenen Landschaft. Mit der Sesshaftwerdung des Menschen wurden diese Tiere ganz (Auerochse, Wildpferd) oder regional (Wisent, Elch) ausgerottet bzw. stark zurückgedrängt (Rothirsch). An ihre Stelle traten Hausrind und Hauspferd sowie Schafe und Ziegen. Hirten trieben das Vieh entlang von Wegrändern, auf Weiden und im Wald, so dass zunächst ein vielfältiges Landschaftsmosaik bestehen blieb.

Erst allmählich bildeten sich neben den Äckern (die nach der Ernte auch beweidet wurden) Standweiden für das Vieh heraus. Damit das Zuchtvieh auch im Winter mit Futter versorgt werden konnte, wurden Wiesen angelegt und gemäht, um Heu zu gewinnen. Dies geschah zunächst mit der Sichel, später mit der Sense und war eine aufwendige körperliche Tätigkeit. Entsprechend konnten pro Tag nur relativ kleine Flächen gemäht werden.

Im Zuge der industriellen Revolution setzten sich technische Mähwerke durch, zunächst von Pferden und später von Traktoren angetrieben, das Vieh wurde ganzjährig eingestallt und die bewirtschafteten Flächen wurden größer. Mit dieser Intensivierung geht ein Rückgang der Artenvielfalt im Grünland einher, der bis heute nicht gestoppt ist.

Schmetterlingswiese. © Jennifer Wintergerst

Je nach natürlichen Standortbedingungen und Bewirtschaftungsweise entstanden im Grünland unterschiedliche Pflanzengesellschaften, an welche wiederum ganzjährig zahlreiche Insektenarten gebunden sind. Diese sind daran angepasst, die natürliche Störung durch Beweidung mit einer hohen Nachkommenzahl zu kompensieren. Wird eine Wiese jedoch mit Maschinen gemäht, werden Insekten getötet oder verletzt. Innerhalb sehr kurzer Zeit können große Flächen gemäht und so ganze Insektenpopulationen ausgerottet werden, womit eine spätere Wiederbesiedlung ausbleibt.

Auf vielen Grünflächen in der Stadt und auf dem Land fliegen keine Schmetterlinge, summen keine Wildbienen und zirpen keine Heuschrecken mehr. Dabei werden viele dieser Flächen nicht für Spiel, Sport und Feierlichkeiten genutzt. Sie könnten ein Lebensraum für viele Pflanzen und Insekten sein. Dass dem nicht so ist, liegt allein daran, dass diese Grünflächen zu oft und vollständig gemäht werden.

Das geht aber auch anders. Wie, das erfährst du hier.

Raum und Zeit für die Entwicklung für Insekten schaffen.

Mit zwei einfachen Regeln lässt sich aus einer Wiese ein artenreicher Lebensraum schaffen.

(1) Anzahl der Mahdtermine reduzieren. Damit verlängert sich der zeitliche Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Mahdterminen. Pflanzen haben nun mehr Zeit zur Blüte zu gelangen und Samen hervorzubringen. Heuschrecken, Tagfalter und andere Insekten können sich vom Ei bis zum erwachsenen Insekt entwickeln.

Dafür darf eine Wiese nur ein- bis dreimal im Jahr gemäht werden. Die Häufigkeit richtet sich dabei nach der Nährstoffversorgung des Bodens. Auf einem mageren Sandboden kann eine Mahd im Jahr ausreichend sein, auf einem nährstoffreichen Lehmboden braucht es bis zu drei Mahdtermine.

(2) Bei jedem Mahdtermin einen Teil der Fläche ungemäht belassen. Hier können sich Eier, Larven und Puppen der Insekten weiterentwickeln sowie Falter und Bienen Pollen und Nektar an den verbleibenden Blumen finden. Von hier aus können die Insekten die gemähte Fläche wieder besiedeln. Bei jeder Mahd wird eine andere Teilfläche ausgelassen. Es ist zu empfehlen, stets 10 bis 30% der Fläche ungemäht zu belassen. Dies gilt auch für Herbst und Winter, denn die Insekten überwintern auf der Wiese, je nach Art als Ei, Larve, Puppe oder erwachsenes Insekt.

Erklärfilm aus dem Projekt „Puppenstuben gesucht – Blühende Wiesen für Sachsens Schmetterlinge“ © Schnelle Bunte Bilder, 2019.

Die Mahdtechnik

Rasenmäher zerkleinern das Mahdgut und damit auch die Insekten. Sie verursachen in der Regel schon bei nur einer Mahd bis zu 100% Insektenverluste. Dennoch, wer eine Fläche maximal dreimal im Jahr mäht und bei jedem Mahddurchgang etwa 30% der Fläche ungemäht belässt, kann schon einen Lebensraum für Insekten schaffen.

Mulchgeräte belassen das Mahdgut auf der Fläche, welches Pflanzen und bewegungsunfähige Entwicklungsstadien (Eier und Puppen) der Insekten zudeckt und Schimmelbildung verursacht. Mulchgeräte sind für Insektenlebensräume grundsätzlich nicht geeignet!

Wo möglich sind schneidende Werkzeuge wie Handsense oder Balkenmäher zu empfehlen. Diese schneiden die Vegetation in einer horizontalen Ebene. Damit überleben die Insekten, die sich oberhalb und unterhalb der Schnittebene befinden.

Die Heuernte

Das Mahdgut verbleibt drei bis maximal sieben Tage auf der Fläche. Während dieser Zeit können Insektenlarven aus der gemähten Fläche in benachbarte, ungemähte Bereiche ausweichen und sich dort weiterentwickeln. Dann folgt die Heuernte. Es ist wichtig, das Mahdgut von der Fläche zu nehmen, damit die Vegetation Luft und Licht bekommt. Kommen Balkenmäher und Heuernte zum Einsatz und vermeidet man dabei unnötiges Befahren und Begehen der Fläche, können bis zu 60% der Insekten die Wiesenmahd unbeschadet überleben.

Schmetterlingswiese. © Jennifer Wintergerst

Der Mahdtermin

Der Mahdtermin beeinflusst sehr stark, wie sich die Vegetation auf der Fläche entwickelt. Je später der Termin im Jahr liegt, desto länger und höher können die Pflanzen wachsen. Kleine, lichthungrige Arten werden dabei verdrängt. Die Wiese wird zur Brache. Umgekehrt kann eine frühe Mahd bis zur Gräserblüte dazu beitragen, die Grasdominanz zu brechen und krautige Pflanzen, die Pollen und Nektar für Insekten liefern, zu fördern. Während der trocken-heißen Sommerwochen sollte keine Mahd erfolgen, da die Pflanzen zu dieser Zeit ohnehin schon extremen Bedingungen ausgesetzt sind und eine Schädigung durch die Mahdwerkzeuge in dieser Zeit vermieden werden sollte.

Es funktioniert: Insekten kommen zurück

Nach der Umstellung auf eine partielle Mahd blühen auf den meisten Wiesen schon im ersten Jahr wieder Pflanzen und fliegen die ersten Schmetterlinge. Viele Wiesenpfleger:innen beobachteten die Insekten, die sich auf ihren Wiesen in den ersten Jahren des sächssichen Schmetterlingswiesenprojektes einfanden und teilten diese über ihren Blog auf www.schmetterlingswiesen.de mit. In den ersten fünf Projektjahren wurden so für 133 Schmetterlingswiesen 2.735 Beobachtungen für 874 Insektenarten gesammelt.

Tabelle: Vergleich der Biomasse und Artenzahlen der Insekten auf Schmetterlingswiesen und intensiv gemähten Flächen. * Ausgewertet wurden Bienen, Heuschrecken, Käfer, Raubfliegen, Schwebfliegen, Tagfalter und Wanzen.
InsektenSchmetterlingswiesenintensiv gemähte Flächen
Biomasse6,32 – 22,5 g0,05 – 1,64 g
Anzahl Arten*49 – 84 Arten0 – 10 Arten

Texte: Dr. Matthias Nuß & Dr. Sebastian Schuch

Literatur

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  • Bosshard, A. 2016: Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas. – Bristol-Schriftenreihe 50. – Haupt Verlag, Bern. 265 S.
  • Bruppacher, L., J. Pellet, R. Arlettaz & J.-Y. Humbert 2016: Simple modifications of mowing regime promote butterflies in extensively managed meadows: Evidence from field-scale Experiments. – Biological Conservation 196: 196–202.
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  • Nuß, M. 2018: Puppenstuben gesucht. Seit 2015 macht die Initiative “Puppenstuben gesucht – Blühende Wiesen für Sachsens Schmetterlinge” gegen das Insektensterben mobil. – Senckenberg Natur – Forschung – Museum 148 (10–12): 194–195.
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  • Nuß, M. & D. Lehmann 2022: Fachliche Evaluierung des Mitmachprojektes „Puppenstuben gesucht – Blühende Wiesen für Sachsens Schmetterlinge.“ – Naturschutzarbeit in Sachsen 63: 12–25.
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